In unserer Saitenwelt erfahren wir heute im Interview mit Sandra Kirschbaum einiges zum Thema Tennissaiten und deren Bedeutung für jeden Spieler. Spannend ist es zu erfahren, wie sich das Familienunternehmen in den letzten 35 Jahren entwickelt hat. Aber nicht nur das Unternehmen, auch die Saitenwelt selbst hat sich immens in den letzten Jahren verändert.
Lasst euch doch mit auf die Zeitreise nehmen und erfahrt von Sandra, wie ihr EURE perfekte Tennissaite finden könnt.
Ich nehme die Bezeichnung DIE Expertin mal als Kompliment. Tatsächlich gibt es auf diesem Gebiet sehr, sehr viele Experten unter den Besaitern und Rackettunern. Aber möglicherweise bin ich die fleißigste, wenn es auf der Seite der MaterialANBIETER um individuelle Beratung und Betreuung geht. Das liegt vermutlich an der Leidenschaft, mit der wir in unserem Familienbetrieb seit 35 Jahren arbeiten - ich wäre nichts, ohne mein Team. Da wir uns von jeher auf die Tennissaite spezialisiert haben, haben sich in den Jahren tausende von Gesprächen mit Spielern, Besaitern, Shopinhabern, Trainern, Eltern, Turnierorganisatoren ergeben. Ich habe selbst nie auf Profiniveau gespielt, aber in den Jahren viele hunderte Profis gesprochen, ihnen zugehört und versucht zu verstehen, wie sie denken und was sie vom Material erwarten.
Wir sitzen seit 1987 in Witten. Gegründet hat mein Vater die Firma mit seiner Ehefrau, mit der er vorher bereits einen erfolgreichen Immobilienvertrieb und Friseurladen geführt hat 😉 Mein Vater war ein kreativer Selfmadetyp mit einer Macherfrau an seiner Seite. Ich selbst bin seit 1991 dabei und gemeinsam haben wir dann den Vertrieb außerhalb Deutschlands aufgebaut. Kirschbaum Saiten gibt es von Australien, über Asien, Europa bis nach Nord- und Südamerika. Mit einigen Partnern arbeiten wir schon über 25 Jahre zusammen. Auch bei unseren Mitarbeitern haben wir Konstanz, einige sind ebenfalls schon seit über 20 Jahren dabei. Horst verstarb leider schon 2010, aber meine Mutter ist immer noch dabei. So haben wir insgesamt 14 Fest- und Teilzeitmitarbeiter. Unser Kernprodukte sind made in Germany, wir halten Patente zur Oberflächenbehandlung und der weltweite Vertrieb wird von unserer Zentrale in Witten erledigt.
Zwischen 1985 und 1987 tüftelte mein Vater mit einem Partner an neuen Saitenmaterialien und Verarbeitungstechniken auf umgebauten Maschinen aus der Kabelindustrie. Schnell wurde auch ein erster Extruder angeschafft. Nach einigen Versuchen und ersten Testserien startete 1987 mein Vater dann als Lieferant für große Schlägerfirmen - sozusagen mit OEM-Ware. Sehr schnell hatte er gute Kontakte und Firmen mit regelmäßigen Aufträgen. Bald gab es eine Partnerschaft mit einem Schlägerhersteller und eine Kirschbaum-Schlägerserie mit dem Namen "Independant" wurde produziert - das Besondere: ein verstellbarer Griff. Dies wurde auf der ISPO in München noch auf dem alten Messegelände auf einem eigenen Stand vorgestellt. Gleichzeitig gab es erste Polyestersaiten in Weiß und Natur mit den Produktnamen GUT FEELING, SUPER SMASH und LONG LIFE, die unter der eigenen Marke KIRSCHBAUM verkauft wurden. Das Logo war damals noch ein sweetspotfüllender Baum, der erst Anfang der 90er von der Kirsche abgelöst wurde. Die Saitenqualitäten waren schnell beliebt und verbreiteten sich unter den Vielspielern. Die Vermarktung des Schlägers war als Tennisneuling ohne das nötige Kapital schwierig und wurde eingestellt. Man konzentrierte sich auf die Saiten und auf den Markennamen Kirschbaum. Das Interesse der deutschen Ranglistenspieler erwachte. Die erste Hybrid-Saite unter dem Namen TOUCH DUO wurde geboren - längs Polyester in 1,35 mm und quer eine Polyamidsaite in 1,25 mm.
Mit dem Ausbau des Vertriebes ab 1991 über Deutschland hinaus gewann man gute Kontakte zu Profispielern vor allem in Spanien, Italien und Südamerika. Westerngriff und Topspin führten zu mehr Saitenverschleiß und steigender Nachfrage nach Polyestersaiten. Der Durchbruch gelang nach 1996 mit der Neuauflage der SUPER SMASH - HONIG - erste Polyestersaite in schöner Farbe, reduziertem Farbpigmentanteil und vor allem erstmals in 7 individuellen Durchmessern - 1,225 1,275 und 1,325 mm wurden geboren. Die Spielerresonanz war gigantisch. Schnell hatte man viele Jugendliche und Erwachsene Spieler in Deutschland und international als Markenbotschafter mit der Kirsche verpflichtet. 1997 folgte mit der SUPER SMASH SPIKY eine Saite mit patentierter Oberflächenprofilierung. Ende der 90er/Anfang 00er Jahre spielte jeder zweite Ranglistenspieler mit der "Kirsche" als Logo (darunter Mischa Zverev, Florian Mayer, Angelique Kerber, Anna-Lena Grönefeld uvm.) unter den top 800 der ATP/WTA über 300 Spieler (darunter Carlos Moya, Dominik Hrbaty, Karol Kucera, Guillermo Canas, Gaston Gaudio, Patty Schnyder, Anastasia Myskina, Caroline Wozniacki, Vera Zvonareva).
Das Unternehmen wuchs, man exportierte in 50 Länder, Versender und Sportgeschäfte bedienten die tennisbegeisterten Spieler in Deutschland. Die Tennissaite rückte auch bei den Schlägerfirmen als wichtiges Element in den Fokus und durch die wachsende Konkurrenz unter den Topschlägermarken, die bei ihren Vertragsspielern nur noch das eigene Logo duldeten, verschwand das zweite Logo der Saitensponsoren zunehmend - und so auch die Kirsche. Ehrlicherweise muss man sagen, dass auch der Konkurrenzdruck unter den reinen Saitenspezialisten zunahm und deutlich mehr Verdrängung am Markt aufkam - gleichzeitig Kirschbaum als familiengeführtes Unternehmen durch die Krankheit des Firmengründers und die Geburt unserer 2 Kinder etwas "geschwächt" wurde.
Weitere wichtige Produkte der ersten Jahre waren die multifile Saite PX12, die TOUCH TITANIUM (Testsieger Tennismagazin 99), später die GUT FEELING (Testsieger TENNIS MAGAZIN 2017).
Die neuen Vertriebskanäle durch das Internet, Onlinehändler, der globale Handel, Corona haben uns vor neue Herausforderungen gestellt. Aber unser direkter Kontakt zum Kunden, Besaiter, Spieler, unsere Qualitäten und unser guter Service sorgen für kontinuierlich gute Verkaufszahlen und das positive Feedback bestärkt uns auf unserem Weg. Jetzt müssen wir sehen, dass wir die Marke auch den jungen Spielern bekannt machen und mit Konstanz und Produktvielfalt weiterhin alle anderen Spieleraltersklassen versorgen.
Tja, was ist die optimale Saite? Es muss nicht die teuerste sein, es muss nicht die neueste sein. Gesucht ist die Saite, die optimal zu Spieler und Schläger passt, die Saite, mit der sich der Spieler wohl fühlt und mit der er sein bestes Tennis spielen kann. Ehrlich, auch unsere Saiten können nicht zaubern. Aber wenn die Saite NICHT passt, dann blockiert sie den Spieler, im schlimmsten Fall belastet sie den Spieler. Hier besteht sehr viel Aufklärungsbedarf und eigentlich bedarf es einer persönlichen Beratung - man kann das nicht pauschal sagen. Daher bieten wir ja auch auf unserer Website jedem Spieler ein Beratungsformular an (www.kirschbaum-strings.de/beratung). Die Saite kann durchaus auf die Länge und Geschwindigkeit der Bälle und auch die Flugbahn Einfluss nehmen. Das Thema Haltbarkeit sollte da eher eine untergeordnete Rolle spielen.
Im Profi/Turnierspielerbereich ist bekannt, wie wichtig die Saite, der Durchmesser und das Bespanngewicht ist und welche Einflüsse damit verbunden sind. Im Freizeitbereich kommen viele Spieler damit gar nicht in Berührung, weil sie noch nie in diese Richtung beraten worden sind. Trainer haben oftmals nicht die Zeit, diese Themen im Training zu besprechen, daher wachsen Spieler ohne das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Saite auf. Besaiter / Sportshops haben ebenfalls selten die Gelegenheit für ein echtes Beratungsgespräch am Kunden und leider haben Kunden, wenn es dann an den Geldbeutel geht, oftmals nicht das Ohr für Tipps, die möglicherweise auch zu höheren Bespannkosten führen. Es ist verzwickt. Und dann kommt die Fülle an Produkten, so dass der interessierte User überschwemmt wird mit Angeboten und Produkten, Foren und Empfehlungen. Da verliert man schnell das Ziel aus den Augen.
Wie gesagt, bei uns kann jeder eine Beratung bekommen. Aber unabhängig gibt es vielleicht ein Paar Tipps: Saite so dünn wie möglich wählen, so dass man mit der Haltbarkeit noch gerade so zufrieden ist. Eine dünnere Saite unterstützt den Spin besser. Gewicht so niedrig wie möglich wählen, dass der Schläger insgesamt noch eine gute Längenkontrolle hat. Weniger Gewicht führt zu mehr Entlastung im Arm und erhöht auch die Haltbarkeit. Polyestersaiten nicht zu lange spielen - dafür ist das Material nicht ausgelegt. Die Saiten verlieren mit der Nutzungsdauer auch ihre Qualität. Man passt sich unbemerkt an und so festigt man nicht die Technik. Als Faustregel empfiehlt sich in der Saison die Saite mindestens so häufig zu wechseln, so oft man in der Woche spielt. Für Spieler ohne Verschleiß würde ich empfehlen, mal eine Polyamidsaite statt Poly zu testen - nicht vom Verrutschen abhalten lassen. Das ist kein Qualitätsmanko.
Ich habe als Kind angefangen und auch Training gehabt. In meiner Jugend - als Tennis so richtig boomte 😉 - spielte ich in der Damenmannschaft, es ging sehr verbissen und ehrgeizig zu. Das hat mir leider den Spaß genommen und die Pubertät tat ihr übriges. Ich habe dann erst wieder später mit den eigenen Kindern angefangen, zu spielen. Ich war also nie profimäßig unterwegs, noch spiele ich selbst profimäßig gut.
Dann schaut in unserer Saitenwelt vorbei oder stellt gleich direkt eure "Saitenfrage" an unsere Saitenexpertin Sandra Kirschbaum von Kirschbaum Strings & Grips.
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Sandra Kirschbaum
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