[Montag, 16. September 2019 17:50]
Lucky Loser Buchrezension: alternder Sofatennisheld will in die Weltrangliste
Wer mit knapp 40 Jahren auf die Idee kommt, nochmal auf die Profi-Tennistour zu gehen, steckt entweder mitten in einer Midlife Krise oder will sich einen auf den ersten Blick völlig abstrusen (Lebens-)Traum erfüllen. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem, die Felix Hutt 2018 dazu bewegt hat, auf die Jagd nach einem Weltranglistenpunkt zu gehen. Einmal in der ATP-Weltrangliste der Herren geführt zu werden – das war sein Traum.
Nach der famosen Idee kommt die beinharte Sportlerrealität
Die famose Idee kam Felix Hutt 2017, als er beim Südafrika-Urlaub das legendäre Australian Open Endspiel zwischen Roger Federer und Rafa Nadal verfolgte. Warum soll nur ein Roger Federer im hohen Tennisalter noch auf der ATP-Tour aufschlagen, warum sollte er das nicht auch schaffen können? Er, der in Jugendjahren recht erfolgreich spielte, aber nie den „Durchbruch“ in Richtung Profikarriere schaffte.
Von der Idee zur Umsetzung war es für den in München wohnenden Journalisten nicht mehr weit. Schnell war ein passendes Trainingsteam gefunden, ein Trainingsplan aufgestellt. Harte Maloche auf dem Platz war angesagt anstelle gemütlich im Biergarten ein kühles Augustinerbier zu trinken. Joggen frühmorgens statt Schweinsbraten abends. Vom alternden „Sofatennishelden“ mit leichter Bierplauze zum akribischen Tennisarbeiter. Dafür gebührt dem „Huttinger“ mein allergrößter Respekt!
Im Urlaub auf der Jagd nach "Buschpunkten" - ab nach Kambodscha, Uganda und den Rest der uns unbekannten Tennisturnierwelt
Felix Knochen-Tour nach dem einen Weltranglistenpunkt führte ihn zu Future Turnieren nach Sardinien, Südafrika, Pakistan, Kambodscha, Israel und Uganda. „Buschpunkte“ an besonders exotischen Turnierorten sollten angeblich leichter zu erreichen sein. Hutt beschreibt die einzelnen Stationen seiner Turnierreise mit viel Witz, Offenheit, einer herrlichen Portion Selbstironie und überzeugenden Ehrlichkeit. Beschreibt die unterschiedlichen Typen an Turnierdirektoren, die unterschiedlichen Platzanlagen und Turnieratmosphären und Spielbegegnungen.
Das Buch schafft einen kleinen und interessanten Einblick in die Welt eines Profispielers auf Tour, die so rein gar nichts mit Luxus und Jetset zu tun hat. Eine Welt, in der so gut wie alle Spieler schauen müssen, wie der nächste Trip irgendwie zu finanzieren ist. Ein Parallel-Turnierwelt, in der die Tennisprofis der dritten Garde aufschlagen, darunter viele Nachwuchstalente, die Hutt`s Söhne hätten sein können. Und auch solche Spieler, die einfach den Absprung nicht schafften. Ein Tourleben, das durch einen eintönigen und langweiligen Turnieralltag geprägt ist und wenig Raum für etwas anderes als Tennis gibt. Aber natürlich auch sehr viele tolle und überraschende Begegnungen mit Trainern, Spielern und Einheimischen mit sich brachten.
Die gnadenlos offene und ehrliche (Tennis-) Reise zu sich selbst
Ob es Felix Hutt am Ende seiner „Lucky Loser“-Reise schaffte, auf der Weltrangliste zu stehen, wird an dieser Stelle nicht verraten – lest einfach das Buch selbst!
Was der „Huttinger“ aber geschafft hat, war ein wirklich tolles und fantastisch zu lesendes Buch zu schreiben. Persönlich geschafft hat er sicherlich die Erfüllung eines Traums, das zu Ende-Bringen einer für ihn noch offenen Geschichte. Insofern trägt das Buch aus meiner Sicht einen falschen Titel – es sollte besser „Lucky Winner“ heißen. Denn jeder der sich einen Lebenstraum erfüllt, egal in welchem Alter und egal wie unmöglich er zu sein scheint, hat für sich ganz persönlich gewonnen.
Für wen ist das Buch geeignet?
Jeder, der mit dem Tennisvirus infiziert ist, wird das Buch verschlingen. So war es für unsere Tennisfamilie eine tolle Urlaubslektüre, die gleich durch mehrere begeisterte Tennishände ging. Ganz egal in welchem Alter, ob Hobby- oder jugendlicher Turnierspieler – jeder wird egal in welcher Weise von diesem Tennisbuch und dieser ganz besonderen Tennisgeschichte inspiriert.
Key Facts:
239 Seiten
Verlag: Ullstein extra
Preis: Euro 14,99