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Mental stark sein
Die schlechteren Schläge führen zu mehr Dominanz durch den Gegner Spieler zu 100 Prozent unter Kontrolle? Wenn man die Liste durch-
im Ballwechsel und somit höherer Wahrscheinlichkeit zum Punkt für geht, bleiben tatsächlich nicht so viele Faktoren übrig. Und dies ist ein
die andere Seite. Der Frust nimmt somit zu und die Leistung sinkt wei- wichtiger Nachteil von Ergebniszielen: Sie sind nicht zu 100 Prozent
ter. Vorausgesetzt natürlich, man hat nicht bereits die Kompetenzen kontrollierbar. Aus diesem Grund spreche ich ab hier auch nur noch
mit dieser Situation umzugehen oder es passieren andere Effekte, die von einem Wunsch. Statistiken erreichen, einen Ballwechsel bzw. ein
plötzlich das Spiel kippen lassen. Match gewinnen, jemanden beeindrucken oder gar ein Turnier gewin-
Beispielsweise erhält der Spieler durch einen schlecht gespielten Ball nen sind Wünsche. Sie sind nicht allein durch mich beeinflussbar. Auch
des Gegners einen einfachen Punkt. Oder der Gegner rutscht weg und wenn wir es uns wünschen würden.
der Schlag von der Grundlinie findet einfach sein Ziel. Diese Situa- Versteht mich jetzt aber nicht falsch. Wünsche sind großartig. Denn sie
tion, die durch Zufall entstanden sind, könnten plötzlich den Weg des motivieren zum Training zu gehen und hart zu arbeiten. Sie inspirieren
Spiels wieder verändern und Sicherheit geben. Aber wollen wir von Spitzensportler dazu, für einen bestimmten Wunsch auf unterschied-
diesem Zufallsmoment abhängig sein? liche Dinge zu verzichten, um den Wunsch Realität werden zu lassen.
Darum sind Wünsche wichtig. Sie helfen uns, am Ball zu bleiben.
Aber Vorsicht: Ergebnisziele können Druck erzeugen
Aus Wünschen klare Handlungsziele machen
Das Gedankenexperiment soll eines zeigen: Sich
ein Ergebnisziel für eine Performance-Situation Wollen wir aber mit Wünschen in ein Match
wie ein Spiel zu setzen, kann in der Situation zu gehen? Denn hier können sie unsere Leistung
einem starken Druckgefühl führen, dass leistungs- bremsen. Klar, sie sind motivierend. Aber nach
mindernd wirken kann. Gerade dann, wenn das motivierend, folgt manchmal auch übermoti-
Ergebnis durch den Spielverlauf in Gefahr gerät. viert. Und wir wollen doch die Wahrscheinlich-
Es kommt dann vielleicht zu zögerlichen Entschei- keit für gute Leistung erhöhen?
dungen oder es werden Entscheidungen „erzwungen“. Dies wusste bereits die Basketball-Trainerlegende Dean Smith: „I think
Ähnliches gilt auch für die Schule oder andere Performance-Bereiche. if you talk about winning as the end result too much, it interferes
Beispielsweise, dass ein Schüler den Eltern sagt „Heute schreibe ich with winning. I tried not to look at the score when I was coaching.
garantiert eine eins“ und dann passiert folgendes: Die erste Aufga- Were we playing well? Were we playing hard? Let the score take care
be der Klassenarbeit wird beim ersten Durchlesen nicht sofort ver- of itself”.
standen. Die Wahrscheinlichkeit für Hektik und Stress, die negativen Aus diesem Grund sollten sich Tennisspieler und Trainer, Dinge für ein
Einfluss auf den weiteren Prozess haben können, nimmt durch die Er- Match vornehmen, die Spieler zu 100 Prozent unter Kontrolle haben
wartungshaltung von vorher zu. und sich darauf fokussieren. Diese Ziele werden „Handlungsziele“ ge-
Aber lasst uns zurück zum Tennis kommen und hierzu ein wichtiger nannt.
Hinweis. Es gibt Spielbeteiligte, die sich intuitiv hilfreiche Ziele setzen Von mir betreute Tennisspieler nehmen sich beispielsweise Dinge vor
und das Bisherige daher vielleicht mit Erstaunen lesen. Diese Perso- wie:
nen haben meist zufälligerweise eine wertvolle Kompetenz bereits
gelernt. • In stressigen Situationen hole ich durch meine Atmung meinen
Fokus zurück ins Jetzt.
Worüber habt ihr selbst beim Match Kontrolle? • Ich kämpfe um die Bälle, die ich kriegen kann.
Aber lasst uns zunächst den zweiten Nachteil, neben dem Druck, an- • Ich bin laut nach gewonnen Punkten.
sehen. Dazu folgende Frage: Was hat alles Einfluss darauf, ob man
einen Punkt im Tennis macht? • Ich halte mich an meinen Matchplan.
Hier ein paar Faktoren: Schlagtechnik/-fähigkeit, Schlagposition, • Ich mache den Ball schnell und versuche das Tempo vorzugeben.
Mind-Set, Vorbereitung des Schlages, Umgang mit vorherigen Fehl- • In der Satzpause mache ich mir meine Ziele nochmal bewusst.
schlägen, Position vom Gegner, Ballqualität, Art des Untergrundes,
Störungen durch Zuschauer, Schiedsrichterentscheidungen, Zufall, Dies sind nur einzelne Beispiele. Und ein Nachteil ist sofort ersichtlich.
Stärke des Gegners und natürlich noch viele mehr. Über diese Dinge nachzudenken oder zu sprechen, ist längst nicht so
attraktiv wie über Wünsche.
Ich hoffe, wir stimmen überein, dass dies alles Faktoren sind, die Ein-
fluss darauf haben, ob ich einen Punkt mache oder nicht. Dabei ist Hingegen helfen sie, dass wir den Wunsch erst erreichen können. Sie
die Wichtigkeit eines Faktors in jedem Match unterschiedlich. Es ist sind unabhängig vom Ergebnis umsetzbar, machen keinen unnötigen
bspw. ein Unterschied, ob ich gegen eine an Position eins gesetzte Druck, neben dem bereits vorhandenem, und spiegeln ausschließ-
Person spiele oder gegen eine von der Spielstärke objektiv schwä- lich die eigene Leistung wider. Ergebnis ist halt NICHT GLEICH Per-
chere Person. formance! Und dies gilt auch in Kontexten wie Schule (z. B. Noten).
Die viel wichtigere Frage ist aber Folgende: Welchen Faktor hat ein
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